Inoffiziell nennt man sie auch die „EU-Botschaft Österreichs“: Die Ständige Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union wirkt an gewichtigen Entscheidungen mit.

Bestimmte Botschaftsgebäude verkörpern schon in ihrer äußeren Erscheinung den Geist ihres Landes, manche maßvoll klassizistisch, andere modern verglast. Im Falle des Hauses, in dem die Ständige Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union untergebracht ist, begegnen wir einer diskreten Mischung aus beidem. Der Zweckbau fügt sich, ganz im Einklang mit dem österreichischen Prinzip der Neutralität, nahtlos und unauffällig in das unmittelbare Umfeld aus Brüsseler Verwaltungsbauten der EU ein – vom gegenüberliegenden Europäischen Auswärtigen Dienst bis hin zum drei Fußminuten entfernten Berlaymont- Gebäude, das die Europäische Kommission beherbergt. Zunächst war es gerade der Anspruch der Neutralität, der einem Beitritt Österreichs zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) lange Zeit im Wege stand. Erst 1989, als mit dem sich abzeichnenden Ende des Kalten Krieges auch ein Wandel des Neutralitätsverständnisses stattfand, reichte Österreich ein Beitrittsgesuch ein. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 wurde zugleich die Ständige Vertretung Österreichs bei der EU, sozusagen die „EU-Botschaft“ Österreichs, eröffnet. Die Beziehungen zwischen Österreich und der EU, die zuvor gegenüber der EWG über andere Kanäle abgewickelt wurden – ab 1960 etwa über die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und ab 1987 zusätzlich über die sogenannte Arbeitsgruppe für Europäische Integration –, laufen seitdem weitgehend über diese Behörde.

Umfeld. Das Europa-Gebäude, Sitz des EU-Rats und Austragungsort der Gipfel von Staats- und Regierungschefs, liegt unweit vom Österreich-Haus, dem Sitz der Ständigen Vertretung. Es wird für multilaterale Gipfelkonferenzen und Ministertreffen genutzt. Im größten Raum des Gebäudes haben 300 Personen Platz. Das fröhliche Muster umfasst insgesamt 62 Farben und wurde vom belgischen Künstler Georges Meurant entworfen. © John Thys/AFP/picturedesk.com

Beziehungen pflegen, Interessen wahren

In der Ständigen Vertretung – dem „rot-weiß-roten Haus“ – in Brüssel arbeiten Expertinnen und Experten aus verschiedensten Bereichen unter der Leitung des Botschafters Nikolaus Marschik daran, dass der Informationsfluss und die Beziehungen zwischen Österreich und der EU reibungslos funktionieren. Vor allem aber sollen die Interessen der Republik Österreich gegenüber den EU-Institutionen und anderen Mitgliedstaaten gewahrt werden. Die Ständige Vertretung erfüllt damit grundsätzlich die Funktion einer Botschaft, allerdings nicht gegenüber einem souveränen Staat, sondern gegenüber einer internationalen Organisation, der Österreich selbst angehört.

Mit dem Beitritt im Jahr 1995 wurde zugleich die Ständige Vertretung Österreichs bei der EU, sozusagen die „EU-Botschaft“ Österreichs, eröffnet.

Dieser feine Unterschied führt manchmal auch zu Widersprüchen: Was tun, wenn das Vorgehen einer Union, der man selbst angehört und die man im Fundament mitträgt, den eigenen Interessen zuwiderläuft?

Ein einzelner Staat, zumal ein kleiner, kann im Alleingang wenig bewirken, doch gemeinsam beeinflussen die Mitgliedstaaten die Gangart der Union.

In diesen seltenen Fällen ist besonderes diplomatisches Geschick gefragt. So etwa in den Jahren 2015 und 2016, als Österreich eine Obergrenze in der Aufnahme von Flüchtlingen einführen wollte, ein Vorhaben, das bei der EUKommission auf scharfe Ablehnung stieß. In solchen Situationen geht es darum, sich um alternative Lösungen zu bemühen oder sich die Unterstützung anderer Staaten zu holen. Denn die EU steht und fällt nach wie vor mit ihren Mitgliedstaaten. Ein einzelner Staat, zumal ein kleiner, kann im Alleingang wenig bewirken, doch gemeinsam beeinflussen die Mitgliedstaaten die Gangart der Union. Vor EU-Gipfeln werden daher zuweilen auch die Staats- und Regierungschefs anderer Staaten zu einer Vorbesprechung in die Ständige Vertretung eingeladen. So sucht Österreich nach Partnern, die seine Verhandlungsposition teilen und diese gemeinsam voranbringen.

Interessen. In Streitfragen ist diplomatisches Geschick gefragt: Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer im Austausch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. © BMEIA

Gebündelte Interessen

Woher aber weiß die Ständige Vertretung in Brüssel, was im Interesse Österreichs liegt und was nicht? Dazu unterhalten das Bundeskanzleramt und alle zwölf Bundesministerien jeweils eigene Dienststellen in der Ständigen Vertretung, während mit der Abteilung Länderangelegenheiten, dem Österreichischen Städtebund und dem Österreichischen Gemeindebund auch die föderalen Ebenen vertreten sind. Neben der Österreichischen Nationalbank und der Industriellenvereinigung sind außerdem die Sozialpartner in der Ständigen Vertretung repräsentiert. Aus all diesen Kanälen bündelt die Ständige Vertretung verschiedene Interessen zu einer gemeinsamen Stimme Österreichs. Um diese Stimme stark zu machen, unterhält die Vertretung unter anderem intensive Beziehungen zur EU-Kommission, zum Europäischen Parlament und zum Rat der EU (auch Ministerrat genannt). Als erste Ebene im Arbeitsprozess wirken Expertinnen und Experten der Ständigen Vertretung in 188 Arbeitsgruppen und Ausschüssen, die sich einerseits mit Wirtschaftspolitik, Kulturfragen oder Sozialschutz, andererseits mit sehr spezifischen Ad-hoc-Themen auseinandersetzen, und bereiten die Themen inhaltlich vor. Die nächste Ebene, der Ausschuss der Ständigen Vertreter, koordiniert die Arbeit für alle Tagungen des Ministerrates und versucht, auf seiner Ebene ein Einvernehmen zu erzielen, um das jeweilige Vorhaben schließlich den Ministerinnen und Ministern im Rat der EU zur Annahme zu unterbreiten.

Inoffizielle Funktion. Das Haus der österreichischen „EU-Botschaft“ dient auch als diskreter Empfangsort für diplomatische Unterredungen. © European Union 2021/Dati Bendo,

Was für Laien nach einem bürokratischen Ungetüm klingen mag, hat in Wirklichkeit sehr konkrete Auswirkungen. Der Rat der EU erlässt Rechtsakte, koordiniert die Politik der Mitgliedstaaten, entwickelt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, schließt internationale Abkommen und legt gemeinsam mit dem Europäischen Parlament den EU-Haushaltsplan fest – dies alles unter Mitwirkung der Ständigen Vertreter. Wie jede Botschaft nimmt die Ständige Vertretung auch inoffizielle Funktionen wahr. Sie dient als diskreter Empfangsort für diplomatische Unterredungen, Vorbereitungen und Entscheidungsfindungsprozesse. Als beispielsweise im Jahr 2009 die Britin Catherine Ashton zur ersten EU-Außenbeauftragten gekürt wurde, fiel unter den europäischen Sozialdemokraten an der Ständigen Vertretung Österreichs bereits die Vorentscheidung. So mag das Gebäude in der Brüsseler Avenue de Cortenbergh von außen unscheinbar wirken. In seinem Inneren werden aber die Geschicke Europas und Österreichs maßgeblich mitbestimmt.

Karriere bei der Ständigen Vertretung

Um in den diplomatischen Dienst aufgenommen zu werden, ist neben bestimmten persönlichen Eigenschaften der Abschluss eines Bachelor -, Diplom-, Master- bzw. Doktoratsstudiums oder die Absolvierung des Diplomlehrgangs an der Diplomatischen Akademie in Wien unabdingbare Voraussetzung. Aktuelle Jobausschreibungen finden Sie auf der Website der Ständigen Vertretung:

www.bmeia.gv.at/oev-bruessel/
Die Bundesanstalt Statistik Österreich liefert mit ihren Daten und Auswertungen eine wichtige Informationsgrundlage für wirtschaftliche und politische Entscheidungen.

In der Guglgasse 13, im 11. Wiener Gemeindebezirk, laufen täglich tausende Zahlen und Daten zusammen. Sie stammen aus privaten Haushalten, Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen und zeigen, wie es sozial, wirtschaftlich und finanziell um Österreich steht. Wie kommt es zu diesem Datenschatz in der Guglgasse? Diese Adresse ist die Heimat der Bundesanstalt Statistik Österreich, besser bekannt als Statistik Austria. Mit dem seit 1. Jänner 2000 wirksamen Bundestatistikgesetz (BStatG) wurde das damalige Österreichische Statistische Zentralamt aus dem Bundesdienst ausgegliedert und ist seitdem eine selbständige und nicht gewinnorientierte Bundesanstalt öffentlichen Rechts. Heute wie damals bildet Statistik Austria das Land in Zahlen ab – nicht zum Selbstzweck, sondern aus dem gesetzlichen Auftrag heraus, Daten über die „wirtschaftlichen, demographischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Gegebenheiten in Österreich“ bereitzustellen. Diese Daten dienen den Bundesorganen zur „Planung, Entscheidungsvorbereitung und Kontrolle von Maßnahmen sowie der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit“, heißt es im BStatG. Der Staat nutzt die Statistiken in großem Umfang, etwa für den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, für Tarifanpassungen, für Fördermaßnahmen, aber auch für die Einschätzung des Bedarfs an sozialen Einrichtungen oder für gesundheitspolitische Entscheidungen. Dabei ist sich die Bundesanstalt ihrer großen Verantwortung bewusst: „Statistik Austria liefert als unabhängige Institution nach höchsten Qualitätsstandards erhobene Daten und Statistiken“, sagt Tobias Thomas, fachstatistischer Generaldirektor. Er leitet Statistik Austria gemeinsam mit der kaufmännischen Generaldirektorin Gabriela Petrovic.

Datenschatz. Täglich werden tausende Zahlen und Daten bei der Bundesanstalt Statistik Österreich in der Guglgasse erhoben und verarbeitet. © APA/Neubauer, Herbert

Österreich in Zahlen

Obwohl Österreich ein im internationalen Vergleich kleines Land ist – die statistische Vermessung ist eine große Herausforderung. Dieser haben sich rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Statistik Austria verschrieben. In vier Direktionen – Bevölkerung, Unternehmen, Raumwirtschaft und Volkswirtschaft –, vier Stabsstellen sowie der IT- Abteilung und den Zentralen Diensten wird täglich daran gearbeitet, aktuelle Daten zu erheben und aufzubereiten. Dafür bringt die Belegschaft, die etwas mehr weibliche als männliche Beschäftigte zählt, verschiedene Ausbildungen mit: Neben naheliegenden Studiengängen wie Statistik und Mathematik sind auch Absolventinnen und Absolventen der Soziologie oder Psychologie vertreten. Denn die komplexen Prozesse der Statistikgewinnung erfordern vielfältiges Know-how.

„Statistik Austria liefert als unabhängige Institution nach höchsten Qualitätsstandards erhobene Daten und Statistiken.“

Tobias Thomas, Generaldirektor von Statistik Austria

Doch was berechnet Statistik Austria nun genau und woher bezieht sie ihre Daten? Letztere liefern sogenannte Respondenten: Private Haushalte, Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen werden entweder im Rahmen von Erhebungen befragt oder unterliegen einer gesetzlichen Meldepflicht hinsichtlich bestimmter Daten. Weitere wichtige Quellen sind Verwaltungs- und Registerdaten, zum Beispiel das Zentrale Melderegister (ZMR), das auch als Grundlage für Stichprobenziehungen verwendet wird. Ein großer Teil der Statistiken wird periodisch erstellt, woraus sich ständig fortlaufende Produktionszyklen ergeben, in denen Daten erfasst, analysiert, plausibilisiert und in Berichten zusammengefasst werden. Dazu ist eine reibungslose Zusammenarbeit innerhalb der Bundesanstalt erforderlich: Während die Stabsstelle Methodik unter anderem für die Erhebung der Stichproben zuständig ist, werden mit zwei großen Befragungstools Untersuchungen in Haushalten und Unternehmen durchgeführt. Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt in den jeweiligen Direktionen.

Peer-Reviews. Generaldirektor Thomas und sein Team sind zur Einhaltung der Qualitätsstandards und Verhaltensregeln des Europäischen Statistischen Systems verpflichtet. © APA/Neubauer, Herbert

Ein Beispiel dafür ist der Mikrozensus: Diese Erhebung stellt wirtschaftliche und soziale Veränderungen der in Österreich wohnhaften Bevölkerung dar und wird vierteljährlich aktualisiert. Dabei wird mittels Zufallsauswahl eine repräsentative Stichprobe von rund 22.500 Haushalten aus dem ZMR erhoben und zu den Themen Erwerbsstatus und Wohnen befragt. Einmal ausgewählt, erfolgt die Befragung eines Haushalts fünf Mal im Abstand von jeweils drei Monaten. Dazu sind 155 Interviewerinnen und Interviewer österreichweit im Einsatz und befragen persönlich, telefonisch und seit 2021 auch webbasiert. Die Fragen des Mikrozensus sind in der Europäischen Union standardisiert. „Was viele nicht wissen: Die Teilnahme an der Mikrozensus-Befragung ist in Österreich – im Gegensatz zu anderen EU-Staaten – verpflichtend“, erzählt Matea Paskvan, Leiterin des Bereichs „Arbeitsmarkt und Bildung“ in der Direktion Bevölkerung. Sie und ihr Team ziehen den Mikrozensus etwa heran, um Statistiken zum Erwerbsstatus in Österreich zu erstellen. Ihre Arbeit beginnt bereits während der Erhebungsphase: „Wir warten nicht bis zum Ende des Quartals, sondern beginnen schon während der Befragungen, die Daten zu plausibilisieren, also nachvollziehbar zu machen“, erzählt Paskvan. Sollte ein Fehler auftauchen, kann dieser rasch bearbeitet werden. Die fortlaufende Überprüfung der Datenqualität ist von zentraler Bedeutung: „Für die nationalen Statistikämter gelten im Europäischen Statistischen System besonders strenge Qualitätsstandards und Verhaltensregeln, zu deren Einhaltung sich auch Österreich verpflichtet hat und die regelmäßig im Rahmen sogenannter Peer-Reviews überprüft werden“, sagt Generaldirektor Thomas.

„Mit ihren Zahlen, Daten und Fakten trägt Statistik Austria maßgeblich zur Versachlichung der öffentlichen Debatte bei.“

Tobias Thomas, Generaldirektor von Statistik Austria

Einblick in Staatsaugaben

Statistik Austria gibt nicht nur Aufschluss über die Lebens- und Erwerbssituation der Bevölkerung, sondern informiert auch über die wirtschaftliche Lage Österreichs. Dabei spielen die Einnahmen und Ausgaben des Staates eine wichtige Rolle. Wie viel gibt die öffentliche Hand etwa für Bildung oder Gesundheit aus? Dazu wird in der Direktion Volkswirtschaft die sogenannte Gebarungsstatistik erstellt, erzählt Kerstin Gruber. Die Leiterin des Bereichs „Volkswirtschaftliche Sektorkonten und Staat“ liefert mit ihrem 22-köpfigen Team empirische Daten zur Rolle des Staates als Konsument, Produzent und Verteiler. Die Basis für die Einnahmen- und Ausgabenstatistik sind Rechnungsabschlüsse von staatlichen Einheiten, wie Gebietskörperschaften und staatlichen Unternehmen. „Der Datensatz wird in ein IT-System eingespeist, genaue Kodierungen werden nach dem System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen hinzugefügt und so zeigt sich beispielsweise, welche Aufgaben einzelne Ausgaben erfüllen“, beschreibt Gruber den Prozess. Anhand dieser Daten können nicht nur Verwaltungsorgane, sondern auch Bürgerinnen und Bürger selbst die Ausgaben des Staates einsehen, beispielsweise in schwierigen Zeiten wie während der Covid-19-Pandemie. „Wir bieten hier sehr viele Detailinformationen an. Diese sind dabei transparent und auf unserer Website einsehbar“, so Gruber.

Daten gegen Fake News

Die Auswertungen von Statistik Austria dienen damit nicht nur Politik und Verwaltung als Informationsgrundlage, sondern sie stehen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung: „Eine besonders wichtige Nutzergruppe sind die Medien sowie die Bürgerinnen und Bürger, die sich ein Bild der sozialen und wirtschaftlichen Lage machen möchten“, sagt Generaldirektor Thomas. „Mit ihren Zahlen, Daten und Fakten trägt Statistik Austria maßgeblich zur Versachlichung der öffentlichen Debatte bei. Das ist gerade in Zeiten von Fake News und Populismus ganz wichtig.“ Somit wird in der Guglgasse auch weiterhin fleißig gerechnet, plausibilisiert und ausgewertet.

Informationsquelle

Online können diverse Daten und Zahlen zu Österreichs Arbeitsmarkt, Bevölkerung und Wirtschaft nachgeschlagen werden. Die Ergebnisse sind kostenlos zugänglich.

www.statistik.at